Im Wald auf dem Boden liegen ein Hut, Schuhe, Zeitung Brille und eine Uhr. Das alles liegt auf Stoffballen in verschiedenen Farben.

Selbstmord durch Verramschung

Ein etwas reisserischer Titel. Ja darf der Titel auch sein, weil die Dramatik dahinter sonst nicht deutlich wird.

Habe ich Ihre Aufmerksamkeit?

Welche Dramatik, fragen Sie sich sicherlich, ist gemeint? Nun eine Dramatik, welche schon vor der Corona Krise begann, deren Höhepunkt jedoch jetzt einen gefährlichen Verlauf nimmt. Dieser Verlauf für die meisten und insbesondere kleinen bis mittelständischen Textilunternehmer der wirtschaftliche Tod bedeuten könnte bzw. für einige definitiv kommen wird. Die großen Unternehmer werden mit weiteren Umsatzeinbussen rechnen müssen, die sie jedoch mit Sicherheit verkraften werden. Sie werden ihre Wunden lecken und sich durch entsprechende Maßnahmen relativ schnell von der Krise erholen.

Waaaaaassssss für ein Szenario!!!! Science Fiction? 

Mitnichten, blanke Realität und Verhöhnung der proklamierten Nachhaltigkeit, Fair Trade und Menschenwürde der Textilkonzerne.

Es geht damit los, dass wenn große namenhafte Textilunternehmen einen Sommerschlussverkauf starten ohne dass der Sommer überhaupt begonnen hat. Dies zu einem Zeitpunkt wo früher in geregelten Sommerschlusssverkaufszeiten gerade der Winterschlussverkauf begonnen hatte. Wem nutzt dieses antizyklische Verhalten und was sagt dies über die Großen der Branche aus?

Sie haben die Regale noch voll und brauchen Platz für die neuen Waren. Verständlich! Das will aber jeder Händler und somit  sind sie nicht alleine damit. Ein Verramschen durch Herabsetzung der Preise um bis zu 70% und mehr ist aber nicht die Lösung. Schon garnicht, weil jeder Händler damit mithalten kann.

Dieses Verhalten der großen Textilkonzerne fühlt isch nicht Fair an. Sie produzieren selbst in Massen. Meistens mehr als sie in Wirklichkeit verkaufen werden, damit sie die Preise in den Produktionsländern drücken können. Doch setzen sie damit die kleinen und mittelständischen Unternehmen komplett unter Druck. Auch die Produzenten geraten in eine finanzielle Abhängigkeit, weil ihre Fabriken im Laufe der Zeit durch die georderten Massen immer größer wurden. Und jetzt auch auf diese Massen angewiesen sind, um zu überleben.

Das ist aber nicht das Einzige. Wenn diese Konzerne von heute auf morgen einen Preisrabatt von über 70% in ihren Kaufhäusern ausschreiben, nur um die Ware schnellstens los zu werden, dann erhöht sich nicht nur de Druck, sondern dieser wird in der Kette weitergegeben. Klar und nachvollziehbar. Aber es hat sie ja auch keiner zu einer Überproduktion gezwungen. Und dies in einer Zeit, wo die Welt sich mehr der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes zu wendet. Dies ist auch die eine Chance der Neugeburt für SLOW FASHION!

Wie soll sich da ein kleines bis Mittelständisches Unternehmen, dass sich gerade mal auf SLOW FASHION eingestellt hat, Verhalten? 

Es geht nicht

Das können diese garnicht und erst recht nicht in der Corona Krise, denn sie haben ganz andere Sorgen als die großen Textilunternehmen. Die Produktionszeiten der kommenden Saisons Herbst/Winter 2020 und Frühling/Sommer 2021 sind aufgrund der Lockdowns in den Produktionsländern drastisch verschoben worden. Selbst die Unternehmen, die ihre eignen Produktionsfabriken in Indien oder China besitzen, müssen gesetzliche Vorschriften der Länder einhalten, sonst drohen sehr hohe Geldbußen und Gefängnisstrafen.

Wenn beispielsweise Indien noch bis zum 17 Juni im Lockdown ist, dann wird nicht von heute auf Morgen gleich zu 100% eine Produktion starten können. Die ganzen Wanderarbeiter und auch Angestellten, deren Familien in 700-1000 KM entfernt gelegenen Dörfern zu Hause sind, welche noch am Tage des Lockdowns panisch zu ihren Familien zurückgekehrt waren, teilweise zu Fuß, weil nichts mehr ging, sitzen auch immer noch in ihren Dörfernfest. Bis die wieder zur Arbeit eintreffen dürfen oder können ist es noch eine Weile hin. Fabriken, deren Arbeiter im Ort sind, haben da wahrscheinlich mehr Glück.

Streckenweise Öffnung

Mittlerweile ist seit dem 17. Mai eine Öffnung für einige Firmen unter strengen Hygiene Maßnahmen erlaubt. Die Produktionsöffnung startete mit 35 – 50% Kapazität. Ähnlich wie einige Autobauer in Europa nur einschichtig produzieren, statt vierschichtig. Was eine sehr viel spätere Auslieferung der produzierten Waren zur Folge haben wird.

Es steht für viele Unternehmen auch noch in den Sternen, ob sie überhaupt für später geplante Messen ihre neuen Kollektionen dort präsentieren können.

Slow Fashion wäre jetzt die richtige Strategie als eine erzwungene Verramschung kreativ und Fair Trade erstellter Textilien. Wobei Kreativität und Wertigkeit für die großen Unternehmen in Sachen Designs und Fair Trade Herstellung eher ein Alibiwort darstellt, um die Gewissen ihrer Käufer zu beruhigen.

Preiskampf ADE

Eine Preisschlacht ist jetzt das letzte was die Textilwirtschaft wirklich gebrauchen kann. Sicherlich sind Preisnachlässe eine Möglichkeit die Kaufmotivation und das Konsumverhalten positiv zu beeinflussen, doch der Endkunde läßt sich schon lange nicht mehr so manipulieren wie früher. Das Konsumverhalten hat sich in den digitalen Zeiten einfach verändert. Die Textilkrise hat den Verbraucher bewusster werden lassen. Wobei der Weg der achtsamen Herstellung von Textilien bereits in den 80 iger Jahren mit der Bio Textilszene startete.

Die Bio Textil Szene ist trotz der langjährigen positiven Entwicklung und Verbreitung auf dem Textilmarkt immer noch eine Nischenbranche. In den Jahren von 2012 bis 2015 erfuhr die Biotextilbranche einen Boom. Jeder vierte bis fünfte Fachbesucher auf der Biofach Textilmesse Innatex wollte in dieser Zeit mit einem Online Shop für Biomode selbständig werden. Es dauerte keine 24 Monate und genau diese Nischenjäger waren wieder verschwunden. Es waren eher Interessenten, die dachten, dass sie mit Biotextilien als Nischenprodukt schnell reich werden könnten. Dem ist aber nicht so. Ein Nischenprodukt wird anders präsentiert und vermarktet als eine Massenproduzierte Jacke, die ich sogar auch auf einem Drittanbieter Marktplatz kaufen kann.

Slow Fashion eine mögliche Lösung?!

Aber zurück zum eigentlichen Thema. Was jetzt die Textilwirtschaft insgesamt und nicht alleine die Biotextil Szene tun sollte, ist nicht aus Panik zu reagieren, sondern mit dem Gedanken des Slow Fashion ihre Herbst-Winter Kollektionen ohne Stress Ende bis Mitte November auf den Markt bringen. Vorher werden die Fabriken sowie nicht fertig sein können, um die Massen für diesen Winter und nächstes Jahr gleichzeitig zu produzieren.

Und auch weil Messen und andere Mode Veranstaltungen bereits terminlich verschoben wurden. In der Ruhe liegt die Kraft und so hätten alle  Zeit und die Ruhe ihre Frühling-Sommer 2020 Waren für reguläre Preise zu verkaufen, um auch hinterher wieder neues in der gleichen Menge einkaufen zu können. Schließlich müssen ein Wiederverkäufer auch von etwas Leben und nicht nur für die Miete zu arbeiten!

Sich dem anzupassen, oder sogar zu trauen eine ganze Saison zu verschieben, das wäre nicht nur Mutig, sondern ein Beispiel ohne Gleichen. Diese Unternehmer wären der wirkliche Überlebende der Corona Pandemie. Aber ich glaube, dass bleibt nur ein Traum….