Ein Grabstein in einer Lagerhalle

Rest In Peace Handelsvertreter

Das große Handelsvertreter-innen sterben,

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen meinen Artikel über Social Selling – Teil 2 zu beenden. Doch das heutige Interview mit einem Vertriebsprofi hat mich dazu inspiriert genau über dieses Thema zu schreiben. Auch wenn im Interview es deutlich wurde, dass die Digitalisierung in Deutschland einen Raketenschub erfahren hat, bleibt das Thema der Digitalisierung unter vielen Handelsvertretern anscheinend immer noch ein Buch mit sieben Siegeln. Der Vertrieb im Internet im Bereich des Online Marketings boomt ohne Ende und dies nicht erst seit gestern.

Ob es sich dabei um Affiliate Marketing oder Produkte, die über Networkmarketing in den Socialmedia Kanälen vertrieben werden, handelt, spielt keine Rolle. Zeigt dies deutlich, dass der Vertrieb Online funktioniert. Warum nicht dann auch für Handelsvertreter-innen im Vertrieb? Die Zeit ist längst überreif und wer jetzt die Kanäle des Internets nicht mit nutzt, der wird den Zug für immer verpassen. Warum? Weil der Einstieg in das Verständnis und das Umsetzen dafür bereits viel zu lange gedauert hat und der Fortschritt in der Softwareentwicklung für das Internet rasend schnell ist. Kommt ein Update bzw. eine Änderung des Algorithmus wie z.B. von Google oder einer anderen Suchmaschine, dann ist guter Rat nicht nur Gold wert, sondern kann sehr teuer werden. Ein Traffic Verlust von heute auf den nächsten Tag kann z.B. einem Online Shop den gesamten Jahresumsatz kosten. Und das nur, weil die Reaktion oder das Verständnis darüber was sich geändert hat und wie darauf zu reagieren wäre, oftmals gleich Null ist.

Doch woher kommt die Angst davor dieses Thema nicht angehen zu wollen? Ist es eine dieser Prokrastinationen, derjenigen ähnlich, wenn es z.B. um die Steuererklärung geht? Die Angst vor den Zahlen? Was dabei rauskommen könnte, wenn die Erklärung fertig gestellt ist? Was bisher sich im Kopf abspielt, muss sich nicht auch in der Zukunft so abspielen. Doch wie verhält sich diese vage und diffuse Angst gegenüber der Digitalisierung im Vertrieb bei den Handelsvertretern?

Historische Exkursion – Wann entstand der Handelsvertreter?

Der Handelsvertreter ist ein Beruf geboren aus der Zeit heraus, wo Produzenten nicht mehr selber ihre Produkte zu den Händlern brachten, sondern einen Vermittler mit Handlungsvollmacht schickten, der am Umsatz der vermittelten Waren beteiligt wurde. Je mehr die Städte z.B. im Mittelalter wuchsen, desto mehr blühte auch der Handel auf. Und nicht nur in den Städten, sondern auch zwischen den Städten.

Schauen wir ein wenig historisch zurück wie denn der Beruf des Handelsvertreter entstanden ist. Getauscht wurde schon immer. Die allerersten Hinweise des Handels gehen über 140.000 Jahre zurück. Es wurde getauscht, was das nackte Überleben sichern und vor Feinden schützen sollte und konnte. Angefangen bei Muscheln, Felle und Tiere bis hin zu Steinbeile und später in der Bronze und Eisenzeit Klingen. Im alten Ägypten vor der Zeit Christi, ca. 1500 v. Chr., wurden Güter wie Stoffe, Gewürze, Weihrauch und Ebenholz, wie auch Tiere und andere Gegenstände gehandelt. Doch nicht nur das alte Ägypten und das römische Reich handelten miteinander, sondern die Suche nach neuen Handelswegen sorgten für die Weiterentwicklung des Handels von Waren und deren Vermittler. Je mehr Handelswege entdeckt wurden, nicht nur per Land, sondern auch per Seeweg, desto mehr fing der Handel an zu blühen.

Während der Industriellen Revolution zu Beginn des 19 Jahrhunderts nahm der Beruf der Handelsvertreter an Fahrt auf. Wachsende und ganz neue Industriezweige hatten benötigten Firmenrepräsentanten und Handelsvermittler in einem. Jede noch so neue technische Innovation musste schnellstens ins Feld geschleust und auf den Markt gebracht werden. Die Konkurrenz schlief nicht. Gerade die Innovationen die zwischen dem ersten und zweiten Weltkrieg entstanden sind. Besonders deren Überleben hing von der Schnelligkeit der Platzierung auf dem Markt ab. Ein Beispiel dazu ist die Entwicklung von Nylon, der Kunstfaser, die 1935 von Du Pont in Amerika entwickelt wurde. Es wird unter anderem geschrieben, dass die Entstehung des Namens eine besondere Botschaft an die Japaner gewesen sein könnte, um den Seidenmarkt zurückzudrängen (verlinkt mit Artikel auf Planet Wissen.de/Technik). Du Pont brachte diese Kunstfaser als erstes auf den Weltmarkt und das auch noch in Form von Socken und Strumpfhosen. Die Frauen liebten und lieben es bisher immer noch.

 

Das 21 Jahrhundert

Bis heute haben alle Handelsvertreter eines gemeinsam, dass sie alle auf eigene Rechnung arbeiten. Niedriges Fixum als Gehalt und Provisionsauszahlung bei Vermittlung ist eher noch bei Immobilienmaklern als bei Produkt Handelsvertretern zu finden. Doch wie sehen die Zahlen heute aus? Bis vor 2 Jahren, also 2 A.C. (ANTE CORONA) sah die Branche der Handelsvertreter sehr gut aus. Schauen wir uns die untere Grafik genauer an, dann sehen wir die Umsatzlage der Handelsvertreter von 2018. Die Statistik zeigt nicht nur, dass es sich lohnt in diesen Beruf einzusteigen, sondern auch in welchen Sparten wirklich ausserordentlich Geld verdient werden kann.

Doch das ist nicht alles. Ein selbstständige-r Handelsvertreter-in vermittelt ja nicht nur Produkte einer Firma. Die nächste Grafik zeigt, die durchschnittliche Anzahl an Firmen, die ein Handelsvertreter-in präsentiert. Das sind im Durchschnitt 4,9 Firmen pro Handelsvertretung im B2B Bereich. Und das ist schon sehr viel, um das sich der Handelsvertreter kümmern muss.

 

Und Corona?

Das 27. Vertriebsbarometer der CDH e.V. zeigt, dass die Branche der Handelsvertreter kurzfristig sich in einer Lage mit „Miserablen Aussichten“ sehen, aber langfristig einen optimistischen Ausblick haben. Die Corona Hilfen für Selbstständige der Regierung haben bisher sehr vielen Menschen in der Branche eine schnelle und unkomplizierte Hilfe gegeben. Und ohne die staatlichen Maßnahmen wären wahrscheinlich jetzt mehr selbständige Handelsvertreter-innen insolvent als vielleicht erwartet. Doch auch einiges anderes unerwartetes ist in Deutschland passiert. Die Digitalisierung hat in Deutschland einen Raketenstart durch die Corona Krise erfahren. (So meint es jedenfalls mein letzter Interviewpartner für unser Vertriebshelden Format. Das Interview könnt Ihr ab dem 01.07.2020 hier auf unserem Blog und auf unserem YouTube Kanal sehen). Und viele Handelsvertreter haben verstanden, dass die Digitalisierung und Nutzung technischer Mittel zum heutigen Alltag mehr denn je dazugehören. So konnte bisher vieles, was vielleicht auch langsamer läuft oder gar noch stagniert, mit Hilfe der Digitalisierung ausgeglichen werden. Und was ist mit Ihnen? Sind Sie schon DIGITAL?

 

Das Aussterben der Handelsvertreter

Die unzertifizierte doch rechtlich sehr gut abgesicherte Zunft der Handelsvertreter-innen muss sich eines ehrlich Fragen, wenn sie in den Spiegel schaut: Werden wir Handelsvertreter Aussterben? Diese Frage steht nicht erst seit Corona im Raum, sondern bereits viel viel länger. Natürlich werden diejenigen diesen Berufsstand verlassen, die in Rente gehen, oder die es verpasst haben die Digitalisierung zu vollziehen. Oder trotz staatlicher Unterstützung leider Insolvenz anmelden müssen. Doch all diese Faktoren sind nicht der Hauptgrund, weshalb sich immer weniger Menschen für diesen, aus meiner persönlichen Sicht, spannenden Beruf interessieren. Der Beruf ist wie kein anderer. Menschen Kennenlernen, auf Reisen gehen, Kunden besuchen, B2B Software implementieren und Kunden vorstellen und bei Digitalisierungsprozessen helfen. Letzten Endes für Kunden da sein und sie zufriedenstellen. Ist der Umsatz gut für Wiederverkäufer läuft das Geschäft der Produkthersteller. 

Der Handelsvertreter-in ist der Produktveredler für die Firmen, die sie vertreten. Ohne den Handelsvertreter-in wird der Wiederverkäufer bei den großen Firmen nur eine Nummer. Ohne den Handelsvertreter-in werden die Wiederverkäufer niemanden haben, der ihnen die Veredlung des Produktes nahebringt. Das Wissen ist für den Wiederverkäufer immens wichtig. Mit dem Wissen können sie ihren Umsatz steigern.

Auch wenn die Zahlen von 2019 eine positive Sprache über die Zunahme an Handelsvertretungen aufzeigen, ist es dennoch so, dass diese Branche vom Aussterben bedroht ist. Was ist die Ursache? Manche Glauben es läge an der Digitalisierung der Produkthersteller. Das sich diese nun direkt über ihre eigens programmierten B2B Internetplattformen an die Wiederverkäufer wenden. Die Realität jedoch zeichnet bei uns in Deutschland ein ganz anderes Bild ab. Die Wiederverkäufer wünschen und bevorzugen nach wie vor einen persönlichen Ansprechpartner. Nicht immer wieder einen Neuen, sondern einen ganz persönlichen. Einen Handelsvertreter-in der Einen kennt. Und ich schreibe auch nicht über die Handelsvertretungen, die innerhalb unterschiedlicher Industriezweige arbeiten und sich gegenseitig beliefern, sondern über den Mittelstand und die Kleinunternehmer-innen. Das sind diejenigen, deren Umsatz am wichtigsten ist, da sie direkt an den Endkunden verkaufen (Damit beziehe ich die Onlineshops mit ein). Wenn genannte Faktoren eher Herausforderung darstellen und nicht die Ursache, was ist es dann, daß den Schwund der Branche fördert?

Wenn wir diesen Berufstand genauer betrachten, dann werden wir eines bemerken, dass dort wo Firmen in Innovation und Weiterbildung dieser investieren und den Handelsvertreter-in miteinbeziehen, bleibt dieser sichtbar. Und genau darum geht es, eine positive Sichtbarkeit und einen zeitgemäßes Handelsvertreter-in Paradigma.

Und weil wir das nicht haben, fehlt auch hier der Nachwuchs! Es ist zu wenig bekannt, dass der Handelsvertreter-innen Beruf ein vollwertiger Beruf ist. Auch, dass die Grundlage, um diesen Beruf zu beginnen, sehr überschaubar ist. Handelsvertreter-innen werden in vielen Bereichen gesucht, doch kaum einer weiß dies. Aber auch wie gut der Handelsvertreter-in als selbständiger verdienen kann.  

Wie diesem Dilemma entgegen treten? Nun es ist an der Zeit, dass dieser Beruf nicht nur, wie seit Jahrhunderten bereits eine rechtliche Rückendeckung hat, sondern, dass eine solide zertifizierte und anerkannte Ausbildung zum Handelsvertreter-in erfolgen sollte. Das würde das Bild des Handelsvertreter-in gesellschaftlich in ein neues positives Licht rücken. Ein neues Verständnis, eine neue Struktur und zeitgemäße anerkannte Weiterbildungen zum Handelsvertreter-in würde interessierenden Menschen den Mut und die Neugier geben sich nicht nur dafür zu interessieren, sondern diesen Beruf als sichere Möglichkeit für die  Selbständigkeit zu sehen.